Zur Bedeutung des geplanten Steinkohlekraftwerks in Lubmin und möglicher Alternativen für Klimaschutz und Strompreise in Mecklenburg-Vorpommern

Studie im Auftrag des BUND - Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, des WWF Deutschland, der European Climate Foundation (ECF) und der Klima-Allianz Berlin, Hamburg, Mai 2009

Zusammenfassung

In Mecklenburg-Vorpommern wurde im Mai 2009 die Gesamtstrategie „Energieland 2020“ vom federführenden Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus (nachfolgend MWAT) vorgelegt. Demnach will Mecklenburg-Vorpommern u.a. folgendes Ziel erreichen:

„Ausgangspunkt ist, dass Mecklenburg-Vorpommern einen essentiellen Beitrag zur Erfüllung der Ziele des Integrierten Energie- u. Klimaprogramms (IEKP) der Bundesregierung bis 2020 […] leisten will und dabei die besonderen Gegebenheiten des Landes beachtet.“  

Die mögliche Genehmigung des geplanten Kohlekraftwerks in Lubmin steht diesem Ziel entgegen. 

Insbesondere der vom Ministerium für die Emissionsermittlung gewählte Ansatz der sog. Verursacherbilanz, bei dem die in Mecklenburg-Vorpommern produzierten Emissionen zusammen mit dem Strom auf Basis eines als konstant angenommen Emissionsfaktors exportiert werden, erlaubt lediglich eine Emissionsreduktion auf dem Papier. Faktisch steigen mit einem neuen Kohlekraftwerk die Emissionen in Mecklenburg-Vorpommern massiv an - der Grundstein zur Zielverfehlung langfristiger, stringenter, nationaler Klimaschutzziele wird damit gelegt. 

Dies gilt umso mehr, da nicht mit ausreichender Nachfrage nach Wärme vor Ort zu rechnen und somit keine kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme (KWK) zu erwarten ist. Während für die Nutzung von Wärme aus dem Kraftwerk als Raumwärme (Fernwärme) ohnehin auf Grund der Struktur vor Ort kein Potential vorhanden ist, kann auch nicht mit der Ansiedlung von einer ausreichend großen Zahl von industriellen Wärmeabnehmern gerechnet werden. Die nationale KWK-Potentialstudie geht von einem sinkenden Wärmebedarf in der Industrie aus und sieht für industrielle KWK einen Potentialzuwachs auch nur für Kleinanlagen. 

Ob, wann, wie und zu welchen Kosten die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von CO2 (CCS) möglich sein wird, ist heute noch nicht bekannt. Die Politik steht hier vor einem Dilemma: sollte die CCS-Technik in Zukunft nicht einsetzbar sein oder sich als nicht wirtschaftlich erweisen, würde der Weiterbetrieb von heute bereits in Bau befindlichen oder der Bau geplanter Kohlekraftwerke auf absehbare Zeit unweigerlich zu einem massiven Verfehlen der Klimaziele der Bundesregierung führen. Die Politik würde dann gezwungen sein, zur Einhaltung der Klimaziele Kraftwerke abzuschalten oder ihren Betrieb so weit zu drosseln, dass sie nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten. Es entstünden Investitionsruinen in Milliardenhöhe. Gegen die Verwendung der CCS-Technologie spricht zudem, dass es derzeit keine Untersuchung der unterschiedlichen Nutzungsabsichten von unterirdischen Speicherräumen bzw. keine Untertageraumordnung in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Somit könnten Politikziele, wie die verstärkte Nutzung der Geothermie oder die Anlage von Druckluftspeichern zur Speicherung von Windenergie, mit einer unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken kollidieren. 

Das in Lubmin geplante Kohlekraftwerk kann auch keinen Beitrag zur Stabilität der Strompreise leisten. Die erwarteten Emissionen der in Deutschland geplanten oder in Bau befindlichen Kohlekraftwerke übersteigen das mittelfristige Budget an Emissionsrechten deutlich. Somit ist mit steigenden Preisen für Emissionsberechtigungen unter dem EU-Emissionshandel und damit in Folge mit höheren Strompreisen zu rechnen. Kohlekraftwerke sind somit keine Absicherung gegen steigende Strompreise, sondern stellen mittelfristig vielmehr ein zusätzliches Preisrisiko dar. 

Ein Vergleich mit den Ausbauzielen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in anderen Bundesländern zeigt schließlich, dass die in Mecklenburg-Vorpommern  gesetzten Ziele noch deutlich erhöht werden können. Mit  zusätzlicher Energieerzeugung aus alternativen Quellen kann 2020 bereits mehr als die Hälfte der geplanten Strommenge des Kohlekraftwerks in Lubmin ersetzt werden. Ein Verzicht auf die geplanten konventionellen Großkraftwerke am Standort Lubmin könnte zudem den Ausbaubedarf für die Stromnetze reduzieren, da die geballte Erzeugung am Standort Lubmin unterbliebe. Als Folge können die Netznutzungsentgelte, über die der Ausbau der Stromnetze finanziert wird, sinken. Davon würden wiederum die Verbraucher in Form geringerer Stromkosten profitieren. 

Mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werden Kohlekraftwerke schließlich zunehmend unwirtschaftlicher. Zum einen sinkt mit dem Ausbau der Erneuerbaren kontinuierlich der Großhandelspreis für Strom und damit der Erlös für die Kohlekraftwerksbetreiber. Zum anderen besteht die Gefahr, dass durch die Struktur des Strommarktes Kohlekraftwerke immer öfter aus dem Markt gedrängt werden, so dass auch die Anzahl der Stunden, in denen sie Erlöse erzielen können, abnimmt.